Energieberater warnen vor undifferenzierten Schuldzuweisungen

Das Deutsche Energieberater-Netzwerk DEN e.V. begrüßt prinzipiell die durch den Großbrand im Londoner Grenfell Tower vor wenigen Wochen auch in Deutschland ausgelöste Debatte über Sicherheit von und in Gebäuden sowie über deren Brandschutz. „Es wäre aber falsch, mit Schnellanalysen und Halbwissen über grundlegende Parameter am Bau zu reden oder zu entscheiden“, sagt der DEN-Vorsitzende Hermann Dannecker mit Blick auf bestimmte mediale und politische Diskussionsbeiträge. „Wir alle müssen diese für 80 Menschen tödliche Katastrophe zum Anlass nehmen und in Ruhe herausfinden, was die näheren Umstände bei diesem Hochhausbrand waren und ob sich daraus auch für uns in Deutschland Konsequenzen ergeben.“

Einseitige Schuldzuweisungen, etwa mit Blick auf bestimmte Dämmstoffe, lehnt Dannecker ab. „Es gilt jetzt, Brandschutz und Brandsicherheit umfassend zu beleuchten. Dazu gehört auch die Frage, inwieweit Dämmstoffe im Falle von Bränden eine Rolle spielen können. Aber wenn es wirklich um die komplette Brandprävention in Gebäuden geht, muss man alle Komponenten kritisch betrachten.“

Dietmar Rieth, DEN-Landessprecher Rheinland-Pfalz und Experte für EMV-gerechte Anlagen, stimmt Dannecker zu. Als ehemaliger Brandmeister und Einsatzleiter der Freiwilligen Feuerwehr Neuwied wisse er, dass vielfach Zimmerbrände am Beginn einer Tragödie stehen: „Man glaubt nicht, wie viele brennbare oder gefährliche Materialien und Gegenstände wir ohne jeglichen Argwohn in unseren Häusern und Wohnungen besitzen und im Alltag nutzen. Gardinen, Fußböden, Decken, Möbel – vielfach sind sie brennbar. Und eine weitere, immer häufigere Gefahrenquelle sind billige Elektrogeräte ohne europakonforme technische Prüfung und Freigabe. Die werden übers Internet bestellt und lösen oftmals Brände aus. In London – das weiß man inzwischen – hat ein defekter Kühlschrank den Brand ausgelöst.“

Die beiden Energieberater warnen vor verkürzten Darstellungen und Panikmache: „Es scheint, als würden von mehreren Seiten derzeit wieder Klischees bedient. Dämmstoffhersteller, die sich gegenseitig nicht grün sind und gegen Materialien der Konkurrenz wettern. Feuerwehrführer, die sich mit Verbotsforderungen ins Rampenlicht stellen. Journalisten, die mit Halbwissen Schlagzeilen machen. So einfach ist die Wirklichkeit aber nicht. Wir brauchen unbedingt eine Versachlichung der Debatte!“

Dannecker weist darauf hin, dass Energieberaterinnen und Energieberater für die von ihnen betreuten Projekte in der Pflicht stehen und haften: „Kein verantwortungsbewusster Kollege wird Dämmstoffe empfehlen, deren technische Unbedenklichkeit nicht einwandfrei erwiesen ist durch die zuständigen Materialprüfungseinrichtungen. Wärmedämmverbundsysteme, die in Deutschland geprüft und zulassen wurden, sind ohne weiteres sicher und zu verantworten, wenn sie fachgerecht und richtig verbaut werden. Auch dafür gibt es in Deutschland strenge Vorschriften. Und deshalb ist eine emotionalisierte Debatte gefährlich und falsch.“

Rieth: „Auf unseren Rat müssen sich die Bauherren verlassen können. Wir als Praktiker am Bau haben größtes Interesse daran, dass unsere Kunden optimal informiert und bedient werden – in ökonomischer, ökologischer und sicherheitstechnischer Hinsicht. Dazu gehört dann auch der Blick auf die eingesetzten Elektrogeräte.“

Dannecker regt vor dem Hintergrund des Londoner Großbrandes neue Gespräche zwischen allen am Bau Beteiligten und mit Brandsicherheit bei Gebäuden Beschäftigen an: „Wir brauchen den Dialog zwischen Herstellern von Dämmsystemen, Feuerwehren, Wissenschaftlern, Architekten und Energieberatern. Nur so können wir auf allen Seiten Klarheit schaffen und verhindern, dass Falschinformationen gestreut werden.“

Der Ingenieur hat dabei auch seine Kolleginnen und Kollegen im Blick: „Unsere Energieberaterinnen und Energieberater werden von Bauherren nach wirtschaftlichen und sicheren Dämmstoffen gefragt. Nach technischen Prüfungen, gesetzlichen Vorgaben und nach unseren Erfahrungen aus der Praxis können wir die in Deutschland zugelassenen Wärmedammverbundsysteme empfehlen. Trotzdem werden wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen im DEN, aber auch mit den Feuerwehren der Länder, den Dialog suchen. So wollen wir einen Beitrag leisten zu einer sachlichen und diesem komplexen Thema angemessenen Diskussion.“